In den letzten Jahren hat sich eine neue Dynamik auf dem Immobilienmarkt entwickelt: Immobilien-Influencer, die über soziale Medien wie YouTube, Instagram und TikTok potenzielle Käufer mit verlockenden Angeboten und Versprechen anziehen. Diese Influencer stellen sich oft als Experten dar, die mit ihrem Wissen und ihren Netzwerken den Weg zum Immobilienerwerb erleichtern können. Jedoch warnen Verbraucherschützer zunehmend vor den Risiken, die solche Influencer mit sich bringen können.
Die Risiken des verführerischen Angebots
Die Verbraucherzentrale Hamburg hebt hervor, dass viele der von Influencern beworbenen Deals oft nicht halten, was sie versprechen. Die Kritik konzentriert sich auf mehrere Hauptprobleme: Überhöhte Preise, undurchsichtige Finanzierungsmodelle und hohe Zahlungen an die Influencer selbst. Ein besonderes Augenmerk liegt auf den von einigen Influencern empfohlenen Bausparverträgen, bei denen Käufer oft nur die Zinsen zahlen und die eigentliche Tilgung des Darlehens erst nach vielen Jahren beginnt – eine riskante Finanzstrategie, die langfristig zu finanziellen Engpässen führen kann.
Fallbeispiel „Immo Tommy“
Tomislav Primorac, besser bekannt als “Immo Tommy”, ist ein solcher Influencer, der für Schlagzeilen sorgte. Nachdem Vorwürfe laut wurden, räumte er selbst einige Fehler ein und betonte die Eigenverantwortung der Käufer. Doch die Verbraucherzentrale und Rechtsanwälte warnen: die Verantwortung kann nicht vollständig auf die Käufer abgewälzt werden, vor allem wenn die beworbenen Angebote irreführend sind.
Rechtliche Bedenken und Schadensersatz
Rechtsanwälte weisen darauf hin, dass durch die unzureichende Aufklärung und Beratung durch solche Influencer rechtliche Ansprüche entstehen können. Die Kanzlei AKH-H vertritt beispielsweise Mandanten, die über das Netzwerk von „Immo Tommy“ Immobilien erworben haben, die sich später als mangelhaft herausstellten. Geschädigte haben demnach Möglichkeiten, Schadensersatz zu fordern oder sogar eine Rückabwicklung des Kaufvertrags zu erreichen.
Psychologische und soziale Einflüsse
Wirtschaftspsychologe Janko Laumann erklärt, dass bei finanziellen Entscheidungen oft Emotionen ins Spiel kommen, die von geschickten Influencern ausgenutzt werden können. Die soziale Bewährtheit, die Influencer durch ihre Präsenz und Followerzahl suggerieren, verstärkt das Vertrauen in ihre Empfehlungen, was zu vorschnellen und schlecht informierten Entscheidungen führen kann.
Die Rolle der Banken und Finanzinstitute
Banken und Finanzinstitute spielen eine entscheidende Rolle bei der Finanzierung von Immobilienkäufen, die durch Influencer beworben werden. Oft sind sie Teil des Netzwerks, das solche Deals unterstützt, indem sie maßgeschneiderte Finanzierungsangebote bereitstellen, die speziell auf die von Influencern beworbenen Immobilien zugeschnitten sind. Diese Angebote können attraktiv erscheinen, da sie niedrige Anfangszinsen oder flexible Rückzahlungsbedingungen bieten. Doch Verbraucherschützer warnen, dass diese scheinbaren Vorteile langfristig hohe Kosten verbergen können, insbesondere wenn die Zinsen nach einer Einführungsphase stark ansteigen oder wenn hohe Gebühren für vorzeitige Rückzahlungen anfallen. Die Transparenz solcher Angebote ist oft mangelhaft, was es Käufern schwer macht, die langfristigen finanziellen Verpflichtungen vollständig zu verstehen und zu bewerten.
Bildung und Aufklärung als Schlüssel zur Prävention
Angesichts der wachsenden Komplexität und der potenziellen Risiken des Immobilienmarktes ist Bildung ein entscheidender Faktor, um Verbraucher vor Fehlentscheidungen zu schützen. Bildungsinitiativen könnten dazu beitragen, das Bewusstsein für die Risiken zu schärfen und Käufer besser auf die Herausforderungen und Fallstricke beim Immobilienkauf vorzubereiten. Diese Programme sollten Informationen über die realistischen Aspekte des Immobilienerwerbs, die Bedeutung einer unabhängigen Finanzberatung und die Risiken von Influencer-Empfehlungen enthalten. Eine solche Aufklärung könnte durch öffentliche Kampagnen, Informationsveranstaltungen und Online-Kurse erfolgen, die darauf abzielen, potenzielle Immobilienkäufer zu informieren und zu ermächtigen. Indem man den Verbrauchern das Wissen und die Werkzeuge an die Hand gibt, kritische Fragen zu stellen und Angebote gründlich zu prüfen, kann man dazu beitragen, das Risiko kostspieliger Fehler zu reduzieren.
Regulatorische Maßnahmen und gesetzliche Rahmenbedingungen
Die zunehmende Sorge um die Praktiken von Immobilien-Influencern und die damit verbundenen Risiken für Verbraucher weisen auf die Notwendigkeit hin, die bestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Regulierungsbehörden könnten gefordert sein, klarere Richtlinien und strengere Vorschriften für die Werbung und Vermittlung von Immobiliengeschäften durch Influencer einzuführen. Dies könnte die Pflicht zur Offenlegung von Interessenkonflikten, die Verifizierung der behaupteten Fakten durch Influencer und die Einführung von Standards für finanzielle Transparenz umfassen. Solche Maßnahmen würden nicht nur die Verbraucher schützen, sondern auch zur Wiederherstellung des Vertrauens in den Online-Immobilienmarkt beitragen, indem sie sicherstellen, dass Informationen und Ratschläge zu Immobilieninvestitionen zuverlässig und ehrlich sind.
Vorsicht und Selbstschutz
Die Verbraucherzentrale betont, dass es wichtig ist, selbst recherchierte Informationen und unabhängige Beratung in die Entscheidungsfindung einzubeziehen. Die Verlockungen durch Influencer sollten kritisch hinterfragt und durch fundierte Beratung ergänzt werden, um finanzielle Fallstricke zu vermeiden.
Fazit
Während Influencer zweifellos eine moderne und ansprechende Art der Informationsvermittlung bieten, ist bei finanziellen und rechtlich bindenden Entscheidungen wie dem Immobilienkauf besondere Vorsicht geboten. Verbraucher sollten sich nicht allein auf die ansprechenden Präsentationen verlassen, sondern fundierte, unabhängige Beratungen suchen und auch die finanziellen Modalitäten gründlich prüfen. Nur so lässt sich das Risiko minimieren, in eine Falle zu tappen, die langfristige finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen kann.